Aus: "Die Trilenas des Dilion Celaenon"


Einer der gewiß bemerkenswertesten modernen schemurischen Dichter war Dilion Celaenon (1150 - 1189 n.d.K.).
Aus dem künstlerischen Haus Celaenon stammend, wurde sein Talent schon früh entdeckt und gefördert, doch statt der klassischen Reimlehre und den poetischen Traditionen seiner Familie zu folgen, wandte er sich nach einigen Experimenten den sogenannten Trilenas zu; dreizeiligen Kurzversen ohne festes Versmaß oder Reim.

"Die Kompaktheit der Idee," so schrieb er in einem der überlieferten Briefe an seine Vertraute Ijani Theratet (1157 - 1205 n.d.K.), "sowie die Prägnanz des Eindrucks, gepaart mit der schier mystischen Vieldeutigkeit der Auslegung, das ist es, was mich reizt an diesem Aufbau. Kontrastierende Elemente, nur blitzartig angerissen und dann wieder im Dunkel der Isolation versunken, sollen neuen geistigen Verbindungen ihre Bahn brechen. Und darunter, ja darunter mag der geheime Sinn liegen, der sich erst allmählich erschließt. So ist es eben in meiner Kunst."

Gerade die Offenheit der Interpretation macht es dem Leser nicht immer leicht, einen Zugang zu den Trilenas zu finden.
Einige sehen mystische Schilderungen in den Zeilen, manche gar Prophezeiungen. Diese Auslegung muß auf das Entschiedenste zurückgewiesen werden. Nach dem Wissen der Hinterbliebenen hat sich Dilion niemals ernsthaft mit arkanen oder gar religiösen Themen beschäftigt.
Kritiker haben ihm dies zum Vorwurf gemacht und ihm Einseitigkeit unterstellt. Erst heute wird hingegen so manches deutlich, was damals aufgrund eines starreren Kunstverstandes von den Literaten noch nicht voll erfaßt werden konnte.

Mit seinen Trilenas - und wirken sie auf den ersten Blick noch so schlicht und offensichtlich - hat Dilion Celaenon einen großen Schritt für die Poesie getan, indem er sich außerhalb der erzählerischen Tradition von Balladen und handlungsreichen Gedichten gestellt hat. In seiner nahezu unübertrefflichen Verkürzung ist es ihm dennoch gelungen, eine Stimmung aufzubauen, eine Idee zu vermitteln und dabei ein Erlebnis oder Ereignis nur anzudeuten, ohne es vollständig zu umreißen.
In den Möglichkeiten, die hinter den verschiedenen Auslegungen verstecken, liegt ein ganz eigener Reiz. Und so erzählen sie letztendlich jeweils nicht nur eine Geschichte, sondern gleich mehrere, besonders wenn man sie - was allerdings vom Autor nicht immer beabsichtigt war - mit anderen verknüpft und damit wieder neue Ansätze findet.

Hier sind einige Trilenas aus seinem Werk aufgeführt.


Sommerzauber
Ein Feenwesen schlummert
am goldenen See.

 

Leichtigkeit
sprüht in winzigen Tropfen
und verweht im Hauch jedes Wortes.

 

Abendlicht
Ich erklimme den Berg
fröstelnd.

 

In den Abgrund
gehe ich ohne Dich
auf meiner Suche.

 

In den tiefsten Wäldern
breche ich die Stille
durch mein Flüstern.

 

Neben Trilenas verfaßte Dilion auch etliche längere Gedichte. Davon soll hier nur eines beispielhaft aufgeführt werden.

 

Neumond

Man hat den Mond am Strand gefunden
plötzlich lag er da
unverhofft
und keiner wollte ihn haben.

Ich ging hin und klopfte mir ein Stück ab
für den Fall, daß er morgen wieder weg sei
doch eigentlich hielt ich ihn
gar nicht für den echten Mond
sondern vertraute auf die Wiederkehr
des Nachtgestirns.

Das erzählte ich auch anderen,
um ihnen Mut zu machen
doch es war Neumond
und keiner glaubte mir.

 

 
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