Schemurien: Meta-Geschichte

     
Eckdaten
 
 
 
 
 
 
 

 

Eine schemurische Legende des 12. Jahrhunderts


Eines Tages kam ein junger Gelehrter zu Darn Ifydon, dem großen Philosophen und Wissenschaftler, und wollte von ihm die Geschichte des Landes kennenlernen. Ifydon, der gerade eine Abhandlung über den Berg Nyon schrieb, legte seine Feder weg, dachte über die Bitte nach und antwortete schließlich:

"Ich soll Dir die Geschichte Schemuriens erzählen?
Ich kann es nicht. Niemand vermag das, mein Freund.
Denn wenn ich über vergangene Ereignisse berichte, muß ich die beteiligten Leute erwähnen, und um jene zu verstehen, mußt Du deren Sitten und Gebräuche kennen, die wiederum aus der Geschichte heraus entstanden sind.
Auch müßtest Du von den Orten erfahren, an welchen die Geschehnisse stattgefunden haben, und während ich Dir über die Geographie erzähle, dürfte ich die Erschließung und Vermessung des Landes nicht vergessen, um die sich frühe Pioniere und Gelehrte verdient gemacht haben.

Wenn ich aber schon bei den Weisen bin, kann ich unmöglich Kunst, Kultur und Wissenschaft auslassen, denn hier hat Schemurien viel zu bieten. Die Wissenschaften aber erklären so manches, was in alter Zeit als göttliches Wirken angesehen wurde, und um dies zu verdeutlichen, müßte ich Dir das Pantheon der Götter vorstellen, die hierzulande von den Menschen verehrt werden. Um aber jene Götter einzeln zu würdigen, ist es erforderlich, deren Zuständigkeiten und Hintergrund zu erläutern, und die Geschichte der Götter reicht bis zum Anfang der Zeiten zurück.
So ist es wohl am sinnvollsten, chronologisch vorzugehen und gleich mit den Taten der Götter zu beginnen, oder vielmehr: deren Entstehung im Dunkel des Anfangs.

Die Geschichte Schemuriens, mein Freund, beginnt also mit der Entstehung des Universums, und Du wirst wohl kaum von mir verlangen wollen, daß ich so weit aushole. Weder Deine noch meine Zeit würden ausreichen, all das zu erzählen, was sich seitdem ereignet hat, und sei es auch nur in jenem zentralen Abschnitt der Mittellande.
Daher wirst Du nun verstehen, daß ich Dir Deine Bitte nicht erfüllen kann."

Da zog der junge Gelehrte betrübt von dannen, doch er hatte erkannt, daß er immer nur einen Teil der gesamten Geschichte erkennen würde und seine Frage demzufolge falsch gestellt war. Und noch bevor er Ifydons Haus verlassen hatte, verstand er, was der Philosoph ihm hatte vermitteln wollen, und er notierte sich als Leitspruch seine Folgerung: "Konkrete Erkenntnis beginnt mit einer konkreten Frage."

 
    zur Bibliothek